Paradigmawechsel

Seitenwechsel
Etwa 2 Jahre vor meiner 1. CI- OP im November 2002 war ich auf Geschäftreise und hatte ein Gespräch mit einem Geschäftsmann, welcher sich für die von mir vertriebene hocheffiziente Maschine im Kraft-Wärme-Kopplungsbereich interessierte.
Dieser stellte sich als erfolgreicher 63jähriger kregeler hyperaktiver Mann heraus. In seiner Karriere hatte er, ein Ingenieur, ein Autohaus gegündet und von null auf 120 Mitarbeiter gebracht.
Bei der Begrüßung stellte er mir sein neuestes Projekt, ein Verkaufshaus für eine Edelmarke vor. Aber darum ging es nicht, sondern es ging um seine vorhandene Immobilie und der Aufrüstung einer Kraft-Wärme- Kopplung. Nun-, er erzählte mir einiges über dessen innovative Ideen wie zum Beispiel, daß er seit geraumer Zeit mit einer Solaranlage Erfahrungen gemacht hätte und diese entspräche nicht seinen Erwartungen.

Ich hatte einige Mühe, ihn in seinen Ausführungen zu verstehen, denn er sprach undeutlich und sehr schnell und schier pausenlos. Anschließend bat er mich in den Keller, um mir dort die Technik zu zeigen. Dabei hatte ich die noch größere Mühe ihm akustisch zu folgen weil er sich immer wieder von mir abwandte um etwas zu erklären. Da dachte ich mir immer wieder: „Oh Gott, wie überstehe ich die Sache anstandslos?“

Irgendwann begaben wir uns wieder in sein Arbeitszimmer und er wies mir den Platz gegenüber an seinem Schreibtisch. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu sagen, daß ich ihn nur sehr schlecht verstehen könne, da ich Hörgeräte trage.
Zu meiner Überraschung klärte sich sein Gesichtsausdruck vollkommen und er sagte mir, daß er dies bereits bemerkt habe. Er wisse um meine Befindlichkeit, denn er höre auch schlecht. Gleichzeitig öffnete er die Schreibtischschublade und holte 2 Hörgeräte mit den Worten: „Ich habe auch solche Geräte, aber die feinsten Schweizer Fabrikate!“ heraus. Nochmals griff er in die Schublade und holte eine mir bekannte Gerätschaft mit den Worten: „MIT FERNBEDIENUNG!“ hervor.

Ich war platt, überrascht, überrumpelt, aber nicht sprachlos. Denn da sagte ich zu ihm: „Herr Chef, jetzt weiß ich, warum ICH SIE so schlecht verstehe“ und fiel in die Rückenlehne meines Stuhles.

Eigentlich war damit das Gespräch zu Ende. Aber ich dachte mir dann: Oh, wer sagt denn zu seinem Chef: „Herr Chef, Sie sprechen aber schlecht und sind schlecht zu verstehen?“. Und wer komt dann auf die Idee, daß „Chef“ schwerhörig ist?

Zu der Zeit habe ich Telefonanrufe grundsätzlich an Hand der Telefonanzeige mit dem Computer immer rückverfolgt, obwohl dies seinerzeit gesetzlich gar nicht erlaubt war. Denn ch wollte und mußte wissen, mit wem ich denn zu telefonieren hatte, denn ich konnte Namen nur schlecht verstehen.

Hörwechsel
Im Juli 2007 nach meiner 2. CI-OP im Januar gleichen Jahres war ich mal wieder im Hörzentrum Hannover (HZH). Im Wartezimmer gelandet, saß ich nun mit einigen Patienten dort. Neben mir ein älterer Herr und weitere Patienten. Darunter 2 Mütter mit ihren Kindern. Der ältere Herr saß neben mir und die Mütter über das Wartezimmer verteilt. Ich komme mit der einen Mutter ins´s Gespräch und diese erzählt mir von ihrer 4jährigen Tochter, welche eine Frühgeburt sei und ein CI habe. Die andere Mutter schaltet sich ein, daß ihr Sohn ein 2. CI, jedoch in einer anderen Klinik implantiert, habe und so ergibt sich ein munteres Gespräch zwischen den Müttern und mir.
Der ältere Herr spricht mich an und wundert sich, wieso ich so gut folgen könne. Dabei bemerke ich, daß ich auf der „falschen“ Seite meines Nachbarn sitze. Denn er hat ein Hörgerät auf der anderen Seite und ich bitte um einen Platzwechsel, damit er mich gut verstehen kann. Er erklärt mir, daß er auf einem Ohr taub sei und wegen eines Promontoriumstests im HZH sei. Nun-, ich stellte fest, daß ich kaum mit ihm kommunizieren konnte, denn selbst die Verständigung mit ihm auf der „richtigen“ Seite war sehr mühsam für ihn.
Nichtsdestortrotz ging die Kommunikation mit den Müttern und mir munter weiter, bis ich aufgerufen wurde.

Am Nachmittag wurde mir plötzlich bei einem Referat von Rolf Erdmann in Hannover klar, daß diese Begebenheit für mich ein historischer Paradigmawechsel (Seitenwchesel) gewesen ist. Denn ich kann mich nicht erinnern, in der Vergangenheit derartig locker wie mit den Müttern im HZH kommuniziert zu haben. Lieber mied ich jedes Gespräch. Auch in meiner Ausbildungszeit habe ich im Aufenthaltsraum der Firma lieber Zeitung (Der Spiegel) gelesen, als mich in irgendeine kommunikative Situation zu begeben!

Wieso sperren sich die Krankenkassen eigentlich vehement gegen eine 2. CI- Versorgung, welche ich erst mühsam in 3 Jahren erprozessieren mußte?

E-Mail:

Hermann W. Aufderheide

2 Gedanken zu „Paradigmawechsel

  1. Zur Frage, warum sich Krankenkassen gegen eine 2. CI-Versorgung wehren:

    1. Scheinargument: zu teuer
    2. Scheinargument: nicht effektiv

    3. noch viel wichtiger: bei wem kann man wohl am leichtesten sparen? Richtig, bei Kranken und Behinderten, die sich nicht wehren können. Und so ist nun mal leider unsere Republik aufgebaut. Nicht umsonst ist eines der wichtigstens Gesetze von einem Betrüger formuliert worden. Und dieses Gesetz führt fortwährend dazu, daß der ehemalige fleißige und ehrliche Mittelstand per Gesetz immer mehr in die Armut getrieben wird. Ich meine Hartz IV. Peter Hartz ist doch als Betrüger verurteilt worden, eigentlich müßte das Gesetz Betrüger IV heißen.

  2. Hallo Peter
    Deine Hinweise sind aktuell und richtig und ich finde es gut, daß Du darauf hinweist.
    Ganz aktuell ist, das wirst Du nicht mitbekommen haben, der Bericht der Landesbehindertenbeauftragten NRW, Angelika Gemkow. Lad Dir das Zeugs runter und Du hast die neueste Lachnummer, was Schwerhörige betrifft. Du kannst ja gut zwischen den Zeilen lesen. Da steht viel zwischen und wie wir von der Politik erst gar nicht zur Kenntnis genommen werden.

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